Slowfly - Ära
(Kapitel geschrieben 1998)
 
Aufgrund der technischen Entwicklung ist die Miniaturisierung im Modellbau stark fortgeschritten. Empfänger mit brauchbarer Reichweite sind jenseits der 10g Grenze für wenig Geld zu erwerben. Relativ leistungsstarke Servos, der 9g Klasse, sind für unter 40,- DM zu haben...... - Da liegt ja wohl nichts näher, als einen ultraleichten Modellflieger mit einer kompletten RC-Anlage zu versehen!
- Und so geschah es -

Eine komplett neue Sparte des Modellflugs wurde geboren

Seit ungefähr drei Jahren sind mir die sogenannten "Slowflyer" aus Fachzeitschriften bekannt. Anfangs wurden diese sehr zerbrechlich wirkenden Objekte von mir belächelt und die Flugfähigkeit stark angezweifelt. Als jedoch die Firma Ikarus mit einem Serienmodell aufwartete und die Zeitschrift FMT über einen Bauplan für einen Slowflyer berichtete, dessen Flugleistungen akzeptabel waren, wurde ich ernsthaft neugierig und machte mich an die Arbeit.

Laut FMT-Plan wurde der erste meiner Slowflyer 1997 gebaut. Er besteht, wie angegeben, komplett aus leichtem Balsa. Die Flügelrippen z.B. sind ca.: 3mm breit und 5mm hoch. Somit meldeten sich meine Zweifel an der Praxistauglichkeit vehement. Ein Luftstoß und die Struktur würde versagen. Also wurden alle dünne Teile mit Kohlerovings armiert und verwandelten sich somit zu hochfesten Konstruktionsgliedern. Die Bespannung besteht aus sehr dünnem Papier, welches mehrfach versiegelt wurde. Alles in allem wog dann ca.: 60g (Strukturgewicht). Kein schlechter Wert, jedoch verzog sich das Papier und das Balsa durch Luftfeuchtigkeit dermaßen, daß an Fliegen nie gedacht wurde.
Das Modell wurde nicht weiter entwickelt, als auf dem Foto zu sehen. Da ich auf den bei Becker bestellten Empfänger über ein halbes
Jahr warten mußte, verging mir die Lust an diesem Projekt schnell. Der Rabbit wurde statt dessen über Winter gebaut. Als der phantastische Empfänger von Becker eintrudelte (7g !) und die gesamte RC-Einheit, mit 2 mal 9g-Servos (von Conrad) und einem 2g-Regler (von Ikarus) sowie der 24g-Antrieb (von Norbert Ladenburger) samt Akku funktionsfähig in meiner Hand lag, war eines sicher.

-Ein Flieger muß her-

Es wurde beschlossen, auf der Intermodellbau 1998 in Dortmund, nach brauchbarem zu suchen.

-Gesagt, getan-
 
Auf der Messe führte Stefan Dolch (bekannt als Kapazität im Kohlefaserleichtbau) seinen Slowflyer namens Stubenfliege vor (Bild links). Ebenso wurden Slowflyer von Ikarus vorgeflogen. Zwischen Stefan Dolch´s Kohlefaser-Konstruktion und den Styro-fliegern von Ikarus lagen, hinsichtlich der Flugleistung, Welten. Ich habe Zweifel daran, daß mit den Ikarus Modellen Loopings zu fliegen sind. - Stefan demonstrierte die Kunstflugtauglichkeit und die Wendigkeit seines Modells mehrfach auf eindrucksvolle Weise. Keine Frage, was Stefan Dolch ausgetüftelt hatte war wohl das Optimum. Ein solches Modell sollte es also sein. Leider wollte Stefan dafür 360,- DM haben. Das ist für einen solchen Flieger überteuert, aber hinsichtlich der Komplexität der Konstruktion nicht unbedingt ungerechtfertigt, wie sich später herausstellen sollte.

Nach einem kurzem Gespräch mit Stefan, entschied ich mich für einen Eigenbau einer ähnlichen Konstruktion.
Mein Spezialfreund Jens kaufte für 100,- DM den Ikarusbausatz und alle erforderlichen Komponenten auf der Messe, um sofort loslegen zu können.

Leider hielt der Styroflieger nicht besonders lange stand. Der Antrieb erwies sich als zu schwach und die gesamte Konstruktion als zu schwer. Mit dem "Ableben" von Jens seinem Modell (nach 2 Wochen) wurde mein Stubenfliegennachbau fertig.
Dieses Modell besteht ausschließlich aus Kohlefasern aus dem Drachenladen! Bei der Bespannung handelt es sich um Frischhaltefolie, welche sich tatsächlich mit der Heißluftpistole straffen läßt. Dieses Modell ist superleicht (ca: 130g Abfluggewicht mit 120 mAh Akku) und begrenzt flugfähig. D.h. nur bei absoluter Windstille. Heftige Ruderbewegungen reichen aus, um diesen Flieger zu Absturz zu bringen.
Dieses Verhalten ist auf die praktisch nicht vorhandene Torsionssteife der Tragfläche zurückzuführen. Ein weiteres Manko ist die unzureichende Stabilität des V-Leitwerks.
 

Ich werte dieses Modell als ersten erfolgreichen Gehversuch, da auf der Basis der gewonnene Kenntnisse ein hervorragend funktionierender Slowflyer gebaut wurde.

Libelle


Da jetzt die Größenverhältnisse der Kräfte bei kleinen Modellen bekannt waren, wurde beschlossen gleich zwei Modelle zu bauen. Es sollte diesmal kein V-Leitwerk sein, sondern ein normales Pendelleitwerk. Das Foto dokumentiert, wie Jens und ich in Zusammenarbeit die Leitwerke montieren. Auch hier wurden ausschließlich Kohlefasern aus dem Drachenladen verwendet. Die Leitwerke bestehen aus 1mm Kohle, welche teils gebogen, teils rechtwinklig geklebt wurde. Auf diese einfache Weise entstanden schnittige Formen. 
Selbstverständlich sind alle Klebestellen mit Rovings verstärkt. Das Rumpfrohr besteht aus einem 5mm Kohlerohr und trägt alle Bohrungen für die erforderlichen Lagerhülsen der Leitwerke.

 
 
 
 
Die Tragfläche entstand nun aus 2mm Kohle und nicht (wie bei dem Vorläufer) aus 1mm. Das Resultat ist überzeugend.- Die Steifigkeit ist enorm. Es sind die brutalsten Kunstflugmanöver möglich.
Aber noch einige Details zur Tragfläche. Wie auf dem Bild zu sehen, besitzt sie zwei Kompressionsrippen. Diese bestehen aus 1mm Kohle und sind zwischen die gebogenen 2mm Stäbe geklebt.
Sie geben der Tragfläche ihre Form und gleichzeitig das Profil, indem man sie durch einen Kompressionsfaden, wie einen Bogen, spannt. Zur Erhöhung der Torsionssteife werden die Rippen selbstverständlich auch mit der Bespannung verklebt.
Zur Erzeugung der V-Form wird die Tragfläche selbstverständlich auch von rechts nach links verspannt.
(Auf dem Foto schwach erkennbar)

Mit den preiswerten Standartkomponenten (2st 9g Servos, 24g Antrieb von Norbert Ladenburger, 7g Empfänger, 2g Regler, 8st 120mAh Akku =55g, 4g diverse Kabel u. Stecker) ergibt sich ein Abfluggewicht von 145g ! D.h. das Strukturgewicht beträgt 37g ! Wird etwas energiesparend geflogen, sind Flugzeiten von über 10 min im Freiem möglich.
 
Hier ein typisches Bild von unseren Konstruktionen im Flug. Es gibt nichts schöneres als mit diesen phantastischen Fliegern durch den Stadtpark zu "gondeln". Bodenstart, Loopings und kleine Segelflugeinlagen sind kein Problem. Erstaunlich ist die Robustheit der Modelle. Ein Frontalzusammenstoß mit Bäumen, Laternen, Parkbänken usw. wird meist ohne Schaden hingenommen.

Zu unserem Erstaunen ist die Reaktion der Passanten bis jetzt ausschließlich positiv. Die meisten entdecken die Modelle erst in unmittelbarer Nähe, da diese fast keine Geräusche erzeugen. Aufgrund der sehr geringen Fluggeschwindigkeit und des geringen Gewichts geht meiner Meinung nach keine Gefahr von einem Slowflyer aus.

- Trotzdem ist ein großer Sicherheitsabstand zu jedem Passanten zu halten! -

Ich bitte jeden Modellbaukollegen hierauf zu achten, um den ohnehin schon schlechten Ruf der Modellflieger nicht zusätzlich zu belasten.

Selbstverständlich ist schon eine überarbeitete Version der Libelle rohbaufertig. Die grundlegende Konstruktion wurde im Wesentlichen beibehalten. Das Gewicht wird wohl nur wenige Gramm unter dem jetzigen Wert liegen. In Zukunft soll aber ein Glockenankermotor mit hohem Wirkungsgrad zu Einsatz kommen, um die Flugzeiten auf über 15 min zu steigern.
 
 

Zur weiteren Entwicklung: Next Generation Slowflyer

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